Herr Demir, Ihr Wahlbezirk ist Berlin-Neukölln – ein Stadtteil, der oft im Gespräch ist, wenn es um Migration geht. Wie gelingt das gemeinsame Leben in einer so multikulturellen Gesellschaft wie der Neuköllns? Oder: Woran kann die Integration dort auch scheitern?
Es gibt bei uns viele tolle Projekte, die Integration möglich machen. Zum Beispiel haben wir die Stadtteilmütter. Das sind etwa hundert Frauen mit internationaler Geschichte. Die werden fortgebildet und gehen in die Familien, um sie in allen Fragen zu unterstützen: In welche Schule kann mein Kind gehen? Welche Ärzte gibt es? Wie hilft mir das Familienzentrum? Was ist zu tun bei Gewalt gegen Frauen? Die Stadtteilmütter laufen ganz selbstbewusst mit ihren roten Taschen durch Neukölln und informieren. Es gibt auch die Zusammenarbeit zwischen einem Imam und einem Rabbi, die das Fastenbrechen zusammen feiern. Es gibt Sport-Projekte. Es gibt auch Projekte der evangelischen Kirche. Es gibt ein gutes Quartiersmanagement. Aber das wird oft nicht gesehen.
Man denkt bei Neukölln eher an Silvesterkrawalle und Parallelwelten. Wie ist es dazu gekommen?
Es gibt tatsächlich diese Menschen, die man nicht mehr erreichen kann, auch muslimisch gelesene Menschen, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber sie sind nicht die Mehrheit. Wir hatten einen Bezirksbürgermeister (Anmerkung: Heinz Buschkowsky), der deutschlandweit immer so laut von gescheiterter Integration geschrien hat, dass der Bezirk für immer damit verknüpft ist. Das kann man tun, die Probleme gibt es ja, aber er hat sie nicht eingeordnet. Die Rütli-Schule wurde danach mit Millionen Euro finanziert. Aber leider hat diese Strategie auch dazu geführt, dass Neukölln heute dieses Image hat – in der Breite zu Unrecht.
In Berlin wie in anderen Metropolen ist auch der fehlende Wohnraum ein Problem, gerade für viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten.
Bei aller Kritik, die man an Berlin haben kann, wollen nun einmal sehr viele Menschen hierherkommen. Wir müssen schneller und bezahlbarer bauen. Das haben wir in Berlin wie in anderen Ballungszentren bisher nicht gut hinbekommen. Ich kenne einige Gastronomen, die halten Zimmer für ihre eigenen Beschäftigten bereit, und auch ein Altenheim, in dem zwei junge Mitarbeiter aus Vietnam und Mexiko Zimmer bekommen haben, bis sie eine eigene Wohnung finden. Aber das sind nur Übergangslösungen.