„Die Taktung muss man körperlich auch schaffen.“

Anna Szot von "Faire Mobilität" beschreibt die Härten der Arbeit im Schlachtbetrieb, arbeitsrechtliche Missstände und eine Betriebskultur, die Fluktuation statt Integration fördert.

Welche Fähigkeiten müssen die Mitarbeiter in einem Schlachthof haben?

Es gibt verschiedene Arbeiten in einem Schlachthof, aber es arbeiten dort bei weitem nicht nur Un- oder Angelernte. Diejenigen Kollegen, die die Tiere schlachten, müssen dafür schon ausgebildet sein: Man muss ganz genau wissen, wie man die Schlachtung durchführt. Genauso muss man bei der Zerteilung wissen, wie man Schnitte macht, wie man Fleisch in die einzelnen Bestandteile zerteilt, die dann auf dem Markt nachgefragt werden. Beim Verpacken ist die Einarbeitung dagegen leichter. Das Spektrum an Fähigkeiten und an Ausbildung ist weiter gestreut, als man gemeinhin denkt.

Wie unterstützen Sie die Menschen im Schlachtbetrieb?

Wir als Beratungsstelle sind natürlich dafür da, um bei arbeitsrechtlichen Problemen zu helfen. Wenn es jemanden gut geht, wird er nicht bei uns landen. Bei uns geht es oft darum, dass Löhne oder Lohnbestandteile nicht gezahlt werden, ob das jetzt Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall oder Zuschläge sind. Oder es geht um Arbeitsunfälle, die nicht angemessen behandelt und ordnungsgemäß gemeldet werden. Wir hören auch viel von Mobbing, von zu hohem Druck, davon, dass Menschen angeschrien werden. Das sind die schwierigen Fälle, weil man nur sehr schwer gegen den Arbeitgeber vorgehen kann.

Wie wird im Allgemeinen mit den osteuropäischen Mitarbeitenden in der Fleischindustrie umgegangen?

Mein Eindruck ist durchaus, die Leute werden anders behandelt, weil es sich um Personen aus dem Ausland handelt. Ich würde nicht von Rassismus sprechen, denn vieles, was da passiert, passiert eben auch unter Landsleuten. Da werden gewisse Machtverhältnisse einfach ausgenutzt, weil der eine schon länger da ist als der andere. Der eine spricht schon deutsch und kann eine Vorarbeiterposition einnehmen. Diese Branche ist hart! Die Arbeit, die dort zu verrichten ist, ist physisch und psychisch sehr, sehr anstrengend. Und die Taktung, wie die Fließbänder da laufen, muss man körperlich auch schaffen. Alles in allem ist die Arbeit sehr schwer verdaulich.

Was müsste sich in Ihren Augen an der Betriebskultur ändern?

Eine unserer Forderungen ist es, dass der Arbeitgeber genau hingucken muss, wen er mit Vorarbeiter-Positionen betraut. Viele Vorarbeiter wurden aus Werkvertragsfirmen in die Schlachtbetriebe übernommen. Diese Menschen müssten aber ausgebildet und an das Tätigkeitsfeld herangeführt werden. Es muss klar sein, was für eine Verantwortung damit zusammenhängt. Es muss innerhalb des Betriebes Kontrollen geben, damit nicht falsche Informationen an die Arbeitnehmerschaft vermitteln werden im Sinne von: „Sei froh, dass du hier überhaupt arbeiten kannst“ oder „Wenn du krank bist, dann musst du kündigen, bevor du wiederkommst.“ Das sind arbeitsrechtlich falsche Aussagen. Ich finde, dass die Arbeitgeber verpasst haben, eine Unternehmenskultur zu etablieren, die für ein solches Verhalten keinen Nährboden bietet. Das stellt die Betriebe nun vor große Herausforderungen. Die hohe Fluktuation des Personals ist ein Kostenfaktor, den man nicht unterschätzen darf.

Wie ließen sich die Arbeitskräfte langfristiger halten?

Das ganz große Thema heißt Integration. Aufgrund der hohen Fluktuation muss ständig Einarbeitung passieren. Besser wäre doch, in eine langfristige Entwicklung zu investieren und echte Integration zu ermöglichen. Wir sind für Deutschkurse im Betrieb in Verantwortung des Arbeitgebers. Denn während Erwerbstätige aus Drittstaaten Deutschkenntnisse bereits vor der Einreise nachweisen müssen und geflüchtete Menschen Unterstützung beim Deutschlernen hier erhalten, gilt beides für EU-Bürger nicht. Sie sind sich selbst überlassen, wenn es um das Erlernen der Sprache geht. In der Fleischbranche machen es die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeiten aber ziemlich unmöglich, Deutsch irgendwie im Privaten zu lernen.

Interview: Heike Riemann; Redaktion: Lukas Spahlinger und Philip Büttner