„Die Menschen aus der Ukraine sagen mir: Deutschland ist ein Willkommensland.“

Die Münchner Migrationsberaterinnen Magdalena Baur (29) und Ilze Hundegger (45) erzählen von den Erwartungen ihrer Klientinnen und Klienten, von erlebter Freundlichkeit, aber auch von Ängsten und Diskriminierung.
LEBEN

Was haben Ihre Klientinnen und Klienten für ein Bild von Deutschland?

Ilze Hundegger: Sie haben die Erwartung, dass Deutschland ein entwickeltes Land ist und dass es hier Arbeitsplätze gibt. Was sie weniger erwarten, ist die Bürokratie und die Münchner Wohnungsnot. Und den Mangel an Kinderbetreuung.

Magdalena Baur: Und die Lebenshaltungskosten! Klar, man bekommt hier meist mehr Lohn als in den Herkunftsländern, aber die Ausgaben sind hoch. Viele Ratsuchende haben zum Beispiel das große Ziel, den Führerschein zu machen. Aber der kostet vielleicht 3.500 Euro und dann merken sie, dass ihr Ziel nicht so leicht zu erreichen ist.

Nehmen die Ratsuchenden Deutschland als freundliches Land wahr?

Ilze Hundegger: Ich arbeite viel mit Menschen, die wegen des Kriegs aus der Ukraine fliehen mussten. Die Menschen aus der Ukraine sagen mir, Deutschland sei ein Willkommensland. Die fühlen sich hier sehr angenommen und sind dankbar dafür, dass sie ein Dach über dem Kopf haben und zum Beispiel Deutschkurse besuchen können. Auch die rechtliche Situation war von Anfang an gut für Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft, zum Beispiel durften sie sofort arbeiten.

Löst es Neid aus, wenn etwa ein Asylbewerber aus Eritrea sieht, dass ein Ukrainer in Deutschland gleich Bürgergeld beziehen kann?

Magdalena Baur: Neid vielleicht nicht, aber das Aufenthaltsrecht ist natürlich sehr komplex und schwer nachvollziehbar: Das muss man gut erklären. Der Aufenthaltstitel der ukrainischen Geflüchteten ist zum Beispiel nicht auf Dauer ausgelegt. Geflüchtete aus Ländern wie Syrien, Irak, Iran, Eritrea oder Somalia haben dagegen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, da es für sie kaum Rückkehrmöglichkeiten gibt. Ich habe Menschen in der Beratung, die so lange in Deutschland sind, dass sie sich langsam mit der Beantragung der Niederlassungserlaubnis oder mit der Einbürgerung beschäftigen und auch gute Voraussetzungen dafür haben.

Kommen auch viele Menschen zu ihnen, die verzweifelt und akut in Not sind?

Magdalena Baur: Ja, da gibt es viele Nöte: Zwangsräumung der Wohnung, kein Geld vom Jobcenter, Aufenthaltstitel nicht verlängert, Geldbeutel gestohlen, Ausweis verloren. Oft hilft es, wenn wir die Situation erst einmal in Ruhe klären und nächste Schritte aufzeigen. Wir wollen die Angst nehmen, wenn zum Beispiel jemand sagt: „Oje, ich bin jetzt illegal, weil ich meinen Ausweis verloren habe.“ Oder: „Ich komme aus einem afrikanischen Land, was passiert, wenn mich jetzt die Polizei aufhält?“

Wird Ihnen von Diskriminierungen berichtet, auch in der Arbeitswelt?

Magdalena Baur: Ich glaube, dass es noch viele Vorurteile gibt. Ich erlebe bei Klientinnen, die ein Kopftuch tragen, dass sie vielleicht nicht für die Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten genommen werden, obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllen. Viele meiner Klientinnen und Klienten sagen bewusst, sie wollen kein Foto mehr im Lebenslauf, weil sie als nicht weiß gelesen werden- oder eben ein Kopftuch tragen und damit vielleicht schon die erste Hürde im Auswahlverfahren nicht nehmen. Studien zeigen auch: Allein mit einem ausländischen Namen hat man weniger gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, als wenn man Huber oder Müller heißt.