Wie kommen Menschen aus Osteuropa zu einem Arbeitsplatz in der deutschen Fleischindustrie?
Da gibt es unterschiedliche Wege, das hängt auch vom Land ab. Bei den polnischen Bürgern sehen wir, dass sie eher durch Internetanzeigen auf die Jobs aufmerksam werden. Bei den Rumänen oder Bulgaren hören wir ganz oft, dass es auch Mund-zu-Mund-Propaganda gibt. Wenn Kollegen, Nachbarn, Bekannte schon in Deutschland waren, berichten sie davon und werben so andere an, aber nicht in dem Sinne, dass sie eine Prämie dafür bekämen.
Weiß man, wer die Vermittler sind, die gezielt Arbeitskräfte anwerben?
Das ist ziemlich intransparent. Die Vermittler haben meistens nur irgendeinen Vornamen und eine Telefonnummer. Es ist nicht greifbar, wer tatsächlich dahintersteckt. Es können einzelne Personen sein oder eben auch Unternehmen, die sich auf Personalbeschaffung in Osteuropa spezialisiert haben und aus den ehemaligen Subunternehmen der Fleischindustrie entstanden sind. Die Vermittler sorgen dafür, dass die Papiere da sind, sie kümmern sich um den Transport, um die Unterkunft vor Ort und auch um den Transport zwischen Unterkunft und Arbeitsstätte. Es ist ein Gesamtpaket. Vielleicht wird den Leuten dabei die Wahrheit gesagt, dass sie in einem Schlachthof arbeiten werden. Aber wir haben durchaus auch schon gehört, dass andere Versprechungen gemacht wurden, zum Beispiel Arbeit in einem Versandhaus oder in einer Schokoladenfabrik, aber nicht in einem Schlachthaus.
Kommen die Menschen, um langfristig hier zu bleiben oder nur um schnell ein bisschen Geld zu verdienen?
Ziel von jedem, der hierherkommt, ist es, seine Lebensumstände und seine finanzielle Lage zu verbessern. Wie lang- oder kurzfristig die Menschen hier sein wollen, das kann man nicht über einen Kamm scheren. Es hängt von den Arbeitsbedingungen ab, die sie antreffen, und den Erwartungen, die vorher geschürt wurden. Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass diese Menschen hier wirklich weit weg von der Familie sind. Sie werden in irgendwelchen Unterkünften, zumeist in Massenunterkünften, untergebracht. Vielleicht sind sie dort mit Landsleuten zusammen, aber Privatsphäre ist nicht gegeben. Das muss man aushalten können. Die Fluktuation in der Fleischbranche ist sehr hoch. Da reichen unter Umständen wenige Stunden und in der ersten Pause wird die Flinte ins Korn geworfen. Andere bleiben tatsächlich mehrere Jahre. Diese Leute sagen zwar: „Na, ich bin nur ganz kurz hier“, doch das „kurz“ entwickelt sich dann zu mehreren Jahren.