ANKOMMEN
Im Gastgewerbe herrscht Fachkräftemangel. Gibt es Initiativen des DEHOGA, Menschen aus außereuropäischen Ländern anzuwerben?
Catherine Karanja: Ja, sehr viele. Wir haben zum Beispiel Projekte mit Vietnam, Indien, Iran, Mexiko oder Marokko. Die Kooperation mit Vietnam entstand während des Lockdowns – seitdem haben bereits 300 vietnamesische Auszubildende im bayerischen Gastgewerbe angefangen. Es gibt auch ein bundesweites Projekt für Köche aus Mexiko, das läuft über den DEHOGA-Bundesverband. Wir sind außerdem mit Ländern wie Kenia und Uganda im Gespräch über die Rekrutierung von Fachkräften und Auszubildenden. Wir führen dafür Vorgespräch mit den Vermittlern und auch mit den Bewerbern selbst. Wichtig ist uns, die Motivation zu kennen: Warum wollen sie nach Deutschland kommen? Warum wollen sie im Gastgewerbe arbeiten? Wenn jemand in seiner Heimat schon ein technisches Studium absolviert hat und jetzt plötzlich in Deutschland Hotelfachmann werden möchte, dann hinterfragen wir schon, ob derjenige wirklich im Gastgewerbe arbeiten will.
Susanne Droux: Wir wollen nicht die jungen Leute herkommen lassen und sie dann überfordern. Uns als DEHOGA Bayern ist es wichtig, dass Betriebe und Auszubildende faire Bedingungen bieten und dass beide Seiten gut vorbereitet sind. Die Betriebe müssen wissen, was auf sie zukommt: der Umgang mit unterschiedlichen Mentalitäten, die Bereitstellung der Unterkunft, die Regelung der Arbeitszeit. Aber auch die Auszubildenden müssen wissen, dass es hier zum Beispiel eine Dualausbildung gibt mit Praxis und Berufsschule und dass man auch im Winter zur Berufsschule fahren muss. Da kann es unendliche Missverständnisse geben. Wir sehen uns in der Rolle zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen transparent sind.
Haben die Bewerberinnen und Bewerber realistische Vorstellungen von Deutschland?
Catherine Karanja: Viele denken, Deutschland besteht überwiegend aus Metropolen und erwarten zumindest, dass sie in eine Großstadt vermittelt werden. Wir aber sagen: Hey, Bayern ist wirklich vielfältig und hat auch einen wunderschönen ländlichen Teil zu bieten. Wäre das nicht interessant für Sie? Ich habe in zwei Wochen einen Call mit einer Firma in Namibia, die Fachkräfte rekrutiert und die Menschen bei der Weiterbildung und Sprachvermittlung unterstützt. Wir erzählen den Bewerbern dann in der Videokonferenz, wie das Leben und Arbeiten in Deutschland wirklich aussieht, wie so eine Ausbildung im Gastgewerbe aufgebaut ist und beschreiben auch regionale Unterschiede, so dass sie dann selbst entscheiden können, ob sie eher in die Stadt oder aufs Land möchten.
Wie schwierig ist es für außereuropäische Arbeitskräfte, überhaupt nach Deutschland zu gelangen?
Susanne Droux: Es gibt da verschiedene Flaschenhälse. Zunächst einmal müssen alle Unterlagen vorliegen auch von Seiten des Betriebes: Arbeitsvertrag, Eintrag bei der Industrie- und Handelskammer, die Beschreibung der Stelle. Damit versucht der Bewerber in seinem Heimatland einen Termin bei der Botschaft zu bekommen – das ist der zweite Flaschenhals. Hier gibt es bislang keine Planbarkeit, was besonders hinderlich ist. Denn der Bewerber möchte sein Flugticket buchen, der Betrieb muss ein Zimmer für ihn anmieten, Urlaubs- und Dienstpläne erstellen und dafür sorgen, dass der Ausbilder für die Einarbeitung Kapazitäten frei hat. Aber die Botschaften sind in manchen Ländern so beansprucht, dass es zu monatelangen Wartezeiten kommt. Der dritte Flaschenhals ist dann hier in Deutschland die Ausländerbehörde. Wenn ein Auszubildender mit Visum hier ist, heißt das noch nicht, dass er schon anfangen darf zu arbeiten, das muss genehmigt werden. Bei Fachkräften ist es alles noch wesentlich schwieriger als bei Auszubildenden. Da würden wir uns wirklich wünschen, dass es für Arbeitgeber eine „Fast Lane“ gibt, so ähnlich wie jetzt in der Pflegebranche. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll nun nach einer gewissen Zeit eine Zusage automatisch erfolgen, aber das muss noch erprobt werden.
Bringt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz denn grundsätzlich Fortschritte?
Susanne Droux: Ja, es gibt eine Verbesserung, nämlich, dass eine zweijährige, im Heimatland staatlich anerkannte Ausbildung auch bei uns für das Verfahren anerkannt wird. Da gibt es dann eine Datenbank, in der anerkannte Abschlüsse aufgeführt sind. Früher musste noch das Curriculum einer Ausbildung übersetzt und abgeglichen werden – das hat den Gleichmut unsere Betriebe wirklich überfordert. Jetzt müssen wir nur noch die anerkannten Schulen in verschiedenen Ländern identifizieren. In Indonesien sind wir schon so weit. Teilweise fahren wir dafür auch in die jeweiligen Länder, etwa nach Marokko, Indonesien, Indien oder Kenia.
Wie groß ist die Sprachhürde für die ausländischen Mitarbeiter?
Catherine Karanja: Die meisten können schon Deutsch, wenn sie nach Deutschland kommen. Wir sagen den Vermittlern, es macht einfach Sinn, mit Sprachkenntnissen auf mindestens B1-Niveau, am besten aber B2-Niveau herzukommen. Bei den Auszubildenden aus Vietnam ist es etwas anders: Sie kommen schon vor der Ausbildung nach Deutschland, erhalten vor Ort Sprachunterricht und erwerben hier auch ihr B1-Zertifikat. Dabei lernen sie sich auch gleich gegenseitig kennen und es gibt ein Welcome-Event mit den künftigen Ausbildern. Wir bekommen die Rückmeldung von den Berufsschulen, dass dieses Modell gut funktioniert. Die Vietnamesen bestehen zu 96 Prozent ihre Prüfungen. Vor Ort lernt man Deutsch einfach besser.
Susanne Droux: Dieses Modell der intensiven Betreuung vor und während der Ausbildung führt übrigens die Firma V-Unite aus Regensburg mit sehr hohen Qualitätsstandards durch. Leider gibt es aber auch einen Wildwuchs von Vermittlern, bei denen eher der kommerzielle Gewinn im Vordergrund steht. Das bedauern wir sehr, denn es geht um junge Menschen, die Deutschland ein großes Vertrauen entgegenbringen. Wir empfehlen unseren 12.000 Mitgliedsbetrieben, nur mit seriösen Vermittlungsagenturen zusammenzuarbeiten, die verantwortungsvoll handeln. Negative Einzelfälle, die sich herumsprechen, können unseren Ruf als Immigrationsland beschädigen.