„Sonst könnten viele Kitas so nicht betrieben werden“

Peter Schreiber (46) leitet eine Kindertagesstätte in Oldenburg, die als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel spanische Erzieherinnen anwirbt und mit ihnen berufliche Perspektiven in Deutschland entwickelt. Die Anerkennung von Qualifikationen stellt innerhalb der EU kein größeres Problem dar, auch wenn man mal ein paar Monate warten muss.

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Ihre Kindertagesstätte in Oldenburg hat eine Antwort auf den Fachkräftemangel gefunden. Bitte schildern Sie uns Ihr Projekt.

Die Idee ist: Wir holen spanische Fachkräfte zu uns, geben ihnen hier eine berufliche Perspektive, aber auch eine wohnliche. Wir haben Wohngemeinschaften, die ekito (Verbund Ev.-luth. Kindertagesstätten im Kirchenkreis Oldenburg) anmietet, in denen dann fünf, sechs Spanierinnen zusammenleben. Es ist ein schöner Austausch von Kultur und Sprache, aber zunächst einmal geht es um den Fachkräftemangel, der uns seit Jahren begleitet und arg zusetzt. Die Initiative zum „Projekt Spanien“ kam von Günter Zingel, dem Geschäftsführer von ekito. Es war eine visionäre Idee in Zeiten des Fachkräftemangels. Hätten wir diese Kolleginnen nicht, könnten viele Gruppen und Kitas so gar nicht betrieben werden. Zurzeit kommen mehr als zehn Prozent unserer Mitarbeiterinnen aus Spanien.

Wie reagierten die Kolleginnen auf die neuen Mitarbeiterinnen aus Spanien?

Wir haben das ganz große Glück, dass die Spanierinnen von Anfang an sehr motiviert waren, mit sehr viel Fröhlichkeit und Herzlichkeit. Das war eine ganz große Werbung für so ein Programm. Die erste Kollegin, die zu uns kam, Beatrice, hat sich sofort eingebracht, war sofort Teil des Teams und hat die Tür geöffnet für alle Spanierinnen. Die Kolleginnen sind wirklich vollständig akzeptiert. Wir treffen uns hier auf der Arbeit, wir treffen uns aber auch am Wochenende zum gemeinsamen Essen. Das ist unsere Teamkultur.

Was bringen die neuen Kolleginnen für Qualifikationen mit? Und was für berufliche Perspektiven ergeben sich daraus?

Die Abschlüsse, die die Kolleginnen mitbringen, sind sehr vergleichbar. Wenn die eine Zeit lang hier gearbeitet und ihre Deutschkenntnisse entsprechend entwickelt haben, dann ist eine Sonderanerkennung als Zweit- oder als Erstkraft relativ einfach. Dann sind sie ganz normale sozialpädagogische Assistentinnen oder Erzieher wie die deutschen Fachkräfte auch. Hier am Standort haben wir drei spanische Fachkräfte zurzeit: Beatrice hat nun die stellvertretende Leitung der Großtagespflege übernommen, Rosa werden wir im Herbst auf eine Gruppenleitungsstelle setzen können und Lucia macht gerade berufsbegleitend eine Fortbildung im Gesundheitsmanagement in der Kita. Das sind berufliche Perspektiven, die wir zusammen mit den Kolleginnen erarbeiten konnten, und das freut mich natürlich sehr.

Die deutsche Bürokratie gilt als langsam. Gibt es keine Probleme mit der Anerkennung der Qualifikationen?

Nein. Natürlich warten wir manchmal zwei, drei Monate auf so eine Sonderanerkennung. Aber der Vorteil ist, dass Spanien zur EU gehört und wir relativ gut verstehen, welche Abschlüsse diese Kolleginnen haben, so dass es hier schnell – im bürokratischen Sinne „schnell“ – zur Anerkennung kommen kann. Im Spanien-Programm werden auch tatsächlich nur Kolleginnen aufgenommen, von denen wir wissen, dass wir im nächsten Schritt diese Sonderanerkennung für mindestens die sozialpädagogische Assistenz erhalten.

Die Anerkennung bei den Fachkräften, die nicht aus der EU kommen, ist sicher schwieriger.

Ja, tatsächlich. Die Uni-Abschlüsse oder auch Berufsabschlüsse werden da in der Regel nicht anerkannt. Wir haben gerade den Fall einer Kollegin aus Syrien, da wurde in der ersten Instanz gesagt, dass sie die komplette Ausbildung nochmal machen müsse. Jetzt haben wir es hinbekommen, dass sie nur 600 Stunden macht und dann folgt eine Kenntnisüberprüfung. Aber wenn sie die nicht schafft, muss sie die ganze Ausbildung neu aufrollen. Und das finde ich ehrlich gesagt schade. Es gibt hier auch viele qualifizierte Menschen aus der Ukraine. Und da wäre es schon sehr wünschenswert, dass man genauer und schneller schaut, was für Abschlüsse die eigentlich haben, und dass man sie hier in Arbeit bringt. Wir haben Fachkräftemangel!